Sind die seelischen Leiden der Menschen genetischer, neuronaler oder kognitiver Natur? Neuerdings werden psychische Beschwerden auch auf neoliberale Leistungsansprüche zurückgeführt. Nach Ansicht des Autors muss jedoch in der Geschichte der Menschen tiefer gegraben werden, um zu Wurzeln des menschlichen Elends vorzudringen.
Psychosoziale Probleme wie Phobien, Stress und Burn-out oder auch narzisstische, depressive und psychotische Störungen sind Ausdruck der sozioökonomischen Verhältnisse, in denen die Menschen leben. Die Widersprüche in ihren Warenbeziehungen sind kollektiv unbewusst, kommen aber unter bestimmten Voraussetzungen zum Vorschein.
In Psychotherapien werden Widersprüche zunächst als kommunikative Unstimmigkeiten und persönliche Missverhältnisse bei hilfesuchenden und helfenden Personen spürbar. Der Autor stellt den Prozess dar, wie Personen durch ihre Inkongruenzen hindurch ihre Ressourcen entdecken, neue Bedeutungen generieren und Gebrauchswerte für andere sowie für sich selbst kreieren.
Ist die aktuelle Manualisierung und Ökonomisierung von Therapien sinnvoll oder gehören diese Maßnahmen gerade zu den Problemen, mit denen sich die Psychotherapieforschung zu befassen hat? Der interdisziplinäre Charakter des Buches zeichnet ein differenziertes Bild der Möglichkeiten und Grenzen der Psychotherapie im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse.
Mark Galliker studierte an der Universität Bern Psychologie und Philosophie und absolvierte später die Ausbildung zum Psychotherapeuten (pca.acp/FSP). 15 Jahre war er in der Jugendberatung und Drogenprävention tätig. Er lehrte an den Universitäten Zürich, Mannheim, Heidelberg und Bern Allgemeine Psychologie und Sozialpsychologie. Seine Forschungsgebiete sind Geschichte der Psychologie, Wissenschaftslehre und Sprachpsychologie.
"In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt Galliker die Dynamik sozioökonomischer Verhältnisse im Vergleich zu psychodynamischen Phänomenen. Für die meisten Leser wird es überraschend sein, welche Übereinstimmungen es zwischen sozioökonomischen Gesetzmäßigkeiten und der Dynamik psychischer Strukturen gibt. ... Galliker klassifiziert den Stand der Psychotherapieforschung als ´vorwissenschaftlich´" und liefert demgegenüber einen Verbesserungsversuch "in den Kapiteln ´Ansätze zu einer Therapietheorie´ sowie ´Theorie und Erfahrung´. Der Rezensent wünscht dem Buch eine breite Resonanz."
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