Mehr als 100.000 Menschen sind laut deutschen Kassendaten derzeit dialysepflichtig, mit steigender Tendenz. Weil ihre Nieren die wichtige Aufgabe der Blutreinigung und Entwässerung nicht mehr erfüllen, hängt ihr Überleben davon ab, dass ihr Blut auf anderem Wege gereinigt wird. „In Deutschland erfolgt dies zu gut 95 Prozent durch die sogenannte Hämodialyse, bei der das Blut aus dem Körper heraus, durch eine künstliche Niere hindurch und anschließend wieder in den Körper zurückgeleitet wird“, sagt Professor Dr. med. Wilma Schierling, Leiterin Hochschulambulanz und Geschäftsführende Oberärztin der Abteilung für Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg. „Hierfür muss ein spezieller Gefäßzugang geschaffen werden. Im optimalen Fall ist dies ein so genannter Shunt, bei dem eine Schlagader im Arm direkt mit einer Vene kurzgeschlossen wird, um ausreichend Blut für die Dialyse abzugreifen und wieder zurückzuführen.“
Komplikationen und Risiken der Shunt-Anlage
Wie gut und wie lange ein solcher Shunt funktioniert, hängt wesentlich von der Expertise des ausführenden Zentrums ab. Häufige Komplikationen sind eine Verengung oder der Verschluss des Shunts, durch den dann zu wenig oder kein Blut mehr fließt, oder aber ein zu hoher Blutfluss, der das Herz belastet und zu einer Minderdurchblutung der Hand führt. Eine gefürchtete Komplikation sind auch Infektionen, die bis zur Sepsis reichen können. Diese sind bei einem aus Eigengewebe geformten Shunt recht selten, bei künstlichen Prothesenshunts dagegen häufiger; bei diesen wird auch eine höhere Verschlussrate beobachtet. Das höchste Infektionsrisiko besteht bei einem Dialysekatheter, der mit seiner Spitze im rechten Vorhof des Herzens platziert und durch die Haut nach außen geführt wird. „Ein Katheter gilt deshalb als letzte Option in der Dialyseversorgung, wenn die Anlage eines Shunts nicht möglich ist“, erläutert Schierling.
Das Deutsche Shuntregister: ein Werkzeug für mehr Sicherheit
Schon allein, von der der Dialyse abhängig zu sein, belastet die Betroffenen körperlich und zeitlich erheblich. Jede Komplikation, allen voran der Shuntverschluss, bedeutet eine zusätzliche Belastung und geht oft mit einer notfallmäßigen stationären Behandlung einher. „Unser Ziel ist es daher, die Komplikationsrate so gering wie möglich zu halten“, betont DGG-Expertin Schierling. Ein wichtiges Werkzeug zur Qualitätssicherung hat die DGG dieses Jahr zusammen mit anderen Fachgesellschaften an den Start gebracht: das Deutsche Shuntregister, in dem jeder neue Dialysezugang erfasst wird. Künftig werden so auch wissenschaftliche Analysen zur Ergebnisqualität möglich. Bereits seit einigen Jahren arbeitet die DGG außerdem mit den Fachgesellschaften für Angiologie, Nephrologie und Radiologie zusammen und zertifiziert „Interdisziplinäre Zentren für Dialysezugänge“. Bislang haben bundesweit 39 Einrichtungen dieses Zertifikat erhalten – bei Weitem nicht genug, denn von einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung ist Deutschland damit weit entfernt.
Politische Unterstützung und faire Vergütung gefordert
Damit das Netz ausgebaut werden kann und nicht im Gegenteil Mitglieder verliert, wünscht sich die DGG auch politische Unterstützung. „Was die Krankenhausreform für die Shuntversorgung bringen wird, bleibt abzuwarten“, sagt DGG-Präsident Professor Dr. med. Farzin Adili, Darmstadt. Die Tendenz gehe jedoch dahin, dass Eingriffe am Dialysezugang nur noch ambulant vorgesehen seien – was in der Praxis nicht realistisch sei. „Einheitliche Kriterien, die eine stationäre Behandlung rechtfertigen, fehlen jedoch.“ Insgesamt müsse die Vergütung der hochkomplexen Eingriffe dringend verbessert werden. Erste Zentren, die sich auf die Behandlung von Dialysezugängen spezialisiert hätten, würden aufgrund mangelnder Rentabilität bereits schließen – ein Trend, den umzukehren es hoffentlich noch nicht zu spät sei
Quellen:
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, Patienteninformation zur Nierenersatztherapie (https://www.dgfn.eu/nierenerkrankungen-und-therapien.html)
Häckl D et al. Prävalenz, Kosten der Versorgung … Gesundheitswesen 2021; 83(10): 818–828 | © 2021 (https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1330-7152)
Boedecker-Lips SC et al. Grüne Nephrologie –… Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 825–831 | © 2024 (https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-2151-8968.pdf?cooperation=2wRiHz5JuDzKa9kw3NSwjfCVIKKRwuoySCZtwJwr)
Dialysezugänge: Gute Chirurgie allein reicht nicht. Dt. Ärzteblatt 46/2019 (https://www.aerzteblatt.de/archiv/dialysezugaenge-gute-chirurgie-allein-reicht-nicht-70eeacd0-8ca7-4664-83a0-93098d55f730)