Weltweit leiden etwa zehn Prozent der Menschen an einer Niereninsuffizienz, einer Krankheit, bei der die Nieren ihre Aufgaben nur noch teilweise oder gar nicht mehr erfüllen können. Da die Nieren lebenswichtige Funktionen wie zum Beispiel den Wasser- und Salzhaushalt oder den Blutdruck regulieren, ist eine chronische Niereninsuffizienz eine ernste, auch lebensbedrohliche Krankheit, die mangels medikamentöser Therapiemöglichkeiten im fortgeschrittenen Stadium oft mit Dialyse oder sogar einer Nierentransplantation behandelt werden muss.
Eine gesunde Niere enthält Bindegewebszellen, zum Beispiel Fibroblasten. Durch chronische Nierenerkrankungen kann es zu einer Vernarbung mit Vermehrung des Bindegewebes – zur Nierenfibrose – kommen, und die Niere kann ihre Funktion nicht mehr ausüben. Professor Dr. Rafael Kramann, Leiter des Instituts für Experimentelle Innere Medizin und Systembiologie und Oberarzt an der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten des Universitätsklinikums der RWTH Aachen, erforscht die narbenbildenden Zellen und sucht nach Ansatzpunkten für eine Therapie. Er analysierte deshalb die zellulären Unterschiede zwischen gesunden und fibrotischen Nieren. Mittels Einzelzell-RNA-Sequenzierungen konnte Professor Kramann mit seinem Team eine genaue Karte der gesunden menschlichen Niere und der Niere mit einer chronischen Niereninsuffizienz erstellen, die Zellen identifizieren, die eine Nierenfibrose verursachen, und ihre Regulation charakterisieren: Es handelt sich um fehlgesteuerte Perizyten (kontraktile Bindegewebszellen) und spezifische Fibroblasten. Die exakte Kartierung der Niere machte zudem möglich, auf molekularer Ebene Strukturen für mögliche zukünftige Therapieansätze zu bestimmen. So konnten die Wissenschaftler das Protein Nkd2 als einen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Medikamenten gegen eine Nierenfibrose identifizieren. Die Forschungsergebnisse publizierte Kramann kürzlich im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“. Die Erkenntnisse sollen nun auch unmittelbar zur Entwicklung neuer Therapien genutzt werden. Hierfür initiierte Professor Kramann zusammen mit einem internationalen Team der RWTH Aachen und der University of Edinburgh die Ausgründung einer Firma, die innovative antifibrotische Medikamente entwickeln soll.
„Ich kenne und schätze Professor Kramann als außerordentlich engagierten und begabten Kollegen, der eine wichtige Führungsrolle in der nephrologischen Forschung einnimmt und modernste Methoden der Grundlagenforschung mit klinischer Expertise verbindet, um Erkrankungen zu verstehen und zu beeinflussen,“ hebt Professor Dr. med Jürgen Floege, selbst Nephrologe sowie 1. Stellvertretender Vorsitzender der DGIM, die Leistungen des diesjährigen Preisträgers heraus. Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM, ergänzt: „Man kann Professor Kramanns Arbeit sicherlich als Durchbruch in der Nierenforschung bezeichnen, die auch zu Erkenntnissen über Fibrosebildung in anderen Organen beitragen könnte, weshalb die Auszeichnung mit dem diesjährigen Theodor-Frerichs-Preis der DGIM hochverdient ist.“